Die Anleger hatten mit Spannung auf den Ausgang des Referendums in Italien gewartet. Diese ist nun gelaufen und Italien steht ohne Premierminister da. Das klingt erst einmal schlecht, doch die Finanzmarktteilnehmer machen sich ihren eigenen Reim auf die neue Situation. Sie beginnen den Handelstag mit einem fulminanten Kursplus, das sogar noch stärker ausfällt, als der Anstieg nach dem Sieg von Donald Trump. Was ist geschehen?
Nicht immer sind die Kursbewegungen an der Börse verständlich. Die drittgrößte Volkswirtschaft der Eurozone muss sich einen neuen Premierminister suchen. Gleichzeitig drückt ein Berg an Schulden das Land. Die Arbeitslosigkeit ist besonders hoch. Eine Lösung der belastenden Probleme ist weit und breit nicht in Sicht. Bisher hat man sich auf den Italiener Draghi, seines Zeichens EZB-Chef, verlassen, der fortlaufend italienische Staatsanleihen aufkauft und somit das Land über Wasser hält. Die Lage in Italien ist dennoch kritisch und trotzdem stürmen die Aktienkurse in Europa nach oben. Warum?
DAX, Tageschart, Stand 10.662 Punkte
Im Vorfeld des Referendums haben besonders US-amerikansiche Investoren massive Shortpositionen auf den italienischen Markt aufgebaut. Mit solch einer Handlung wird auf fallende Kurse gewettet. Dafür können Derivate benutzt oder ganz klassisch Aktien leerverkauft werden. In diesem Fall werden Aktien verkauft, die man dann (nach dem Referendum) günstiger wieder zurückkauft. Die Differenz zwischen Verkaufskurs und Kaufpreis ist der Gewinn.
Es ist naheliegend, dass auch Marktteilnehmer in Deutschland Shortpositionen aufgebaut haben. Sie haben ebenfalls auf ein Einknicken deutscher Aktien spekuliert. Das Risiko bei diesem Geschäft ist, dass die Kurse nicht in die Knie gehen, dann folgt schnell ein Minus. Erschwerend kommt hinzu, dass die Verluste in unbegrenzter Höhe auflaufen können. Mit diesem Grundwissen lässt sich der morgendliche Kursverlauf erklären. Eine Vielzahl an leerverkauften Aktien muss wieder zurückgekauft werden.
Schon vor der Handelseröffnung wollte sich der DAX nicht mehr drücken lassen. Das hat sofort die Gefahrenampeln all der angesprochenen Spekulanten aufleuchten lassen. Ihr Plan ist nicht aufgegangen. Um jetzt keine (oder nur geringe) Verluste zu erleiden, kaufen diese Marktteilnehmer jetzt Aktien zurück, d. h. sie fragen Aktien nach und treiben damit auch den DAX.
Mit jedem weiteren Anstieg, also sekündlich, gerieten diese Leerverkäufer in Zugzwang. Immer mehr Aktien mussten am Markt zurückgekauft werden, koste es, was es wolle. Unlimitierte Aufträge zwangen den DAX zu diesem unnatürlichen Kurssprung. In der ersten Handelsstunde umfasst die Renzi-Kerze satte 237 Punkte (Trump 173 Punkte). Solch eine Bewegung lässt auf die angesprochene Schieflage im Markt schließen.
Das Kursplus am Morgen ist demnach allein der eiligen Notreaktion der Marktteilnehmer geschuldet. Es ist technisch bedingt. Der Kursverlauf in den weiteren Stunden wird ein klareres Bild zeigen, wie nachhaltig dieses sein wird. Die Schlüsselmarke bei 10.600 Punkten kann als Richtungsgeber genutzt werden. Kurse darunter sprechen für Abgaben, Notierungen darüber für weiter anziehende Kurse.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr
start-trading Team
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