Signale

Wenn es mal eine Zeit gab, in der Sitzungen einer Zentralbank wichtig und richtig waren, dann muss sie schon lange vorbei sein. Denn was den Bürgern in den letzten Jahren aufgetischt wird, nämlich Halbwahrheiten und nichtssagende Phrasen, ist einer Institution, die sich der Geldwertstabilität verschrieben hat, nicht mehr würdig. Gestern gab es mal wieder eine EZB-Pressekonferenz und es begann die Märchenstunde des Herrn Draghi.

Bei einer Pressekonferenz wollen die Zuhörer Antworten zum geldpolitischen Kurs der EZB erhalten. Regelmäßig werden sie aber enttäuscht und gehen mit leeren Händen nach Hause. Denn Antworten gibt die EZB nicht, das ist nicht ihr Ding. Sie orakelt lieber und lässt sich alle Türen offen. So wie gestern.

Am gestrigen Tag war einer der schönsten Sätze des EZB-Chefs Draghi: „Der EZB-Rat fühlt sich wohl damit, beim nächsten Mal zu handeln“. Ein Satz, der die Erde beben lässt. Die Presseleute waren begeistert und hauten sofort in die Tasten. Schnell lief über die Ticker, dass die EZB bei ihrer nächsten Sitzung womöglich die Leitzinsen senken werde. Die Börse reagierte entzückt, der DAX machte einen großen Satz nach oben. Gefühlt waren alle begeistert, es war wie in einem Märchen. Einfach wundervoll.

Doch was hatte der EZB-Chef nun gesagt? Wieder einmal nichts Konkretes, wie sich nach dem Abflauen der Euphorie herausstellte. Beim nächsten Mal könnte die EZB handeln, heißt es. Die Betonung liegt auf „könnte“. Das bedeutet im Umkehrschluss, wir wissen nicht, ob sie tatsächlich handeln wird. Ebenfalls unklar ist, wie denn eine Handlung aussehen wird (sofern sie tatsächlich eintreten sollte). Wird die EZB vielleicht die Leitzinsen senken, wie in den Medien bereits herumgereicht wird, oder greift sie zu einer anderen Maßnahme? Im Grunde wissen alle Beteiligten nur, dass sie nichts wissen. Sie merken schon, wir befinden uns bereits inmitten der Märchenstunde.

Jeder, der die Aussagen der EZB mitverfolgt, kann nun anfangen sich auszumalen, was denn gemeint sein könnte. Die Worte sind leichtverständlich und mit Bedacht gewählt, nur die Aussagekraft ist gleich null.

Das gilt ebenso für die Sorge um eine Deflationsgefahr in der Eurozone. Die EZB wird nicht müde, immer wieder darauf zu verweisen, ganz so, als wolle sie den Boden schaffen, dass sie handeln muss, um Schaden von Europa abzuwenden. Bisher jedoch wissen wir nichts Konkretes. Die Presse und auch die Bürger lassen sich von der Geschichte über eine zu geringe Inflationsrate und einer starken Währung blenden.

Wer sagt denn, dass eine geringe Inflation schlecht ist? Inflation bedeutet Geldentwertung. Für das Wohl der Bürger in der Eurozone ist eine niedrige Inflation gut. Das Gleiche gilt für eine starke Währung Euro. Wer mal mit einer starken Währung im Urlaub (Ausland) war, der weiß, wie gut sich damit einkaufen lässt. Eine starke Währung ist also nichts Schlechtes. War die starke D-Mark schlecht?

Wenn Herr Draghi das Bild der bösen Deflation malen will (im Märchen ist das die böse Hexe), dann macht er das einfach. Es geht dabei nicht um die Kommunikation eines Standpunktes, wie es sich für eine Institution Zentralbank gehört, sondern um das Unterhalten der Gemeinschaft. Nun ist die undeutliche Geschichte der EZB erzählt und die Investoren, die Experten, die Bürger und die Medien können nun deuten und sich ausmalen, wie das Märchen weitergehen wird.

 

Mit freundlichen Grüßen

Ihr

start-trading Team

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